am 24.04.2024 von Matthias Ebel

Was bedeutet die Unterteilung Sativa und Indica?

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Anekdotische Bedeutung, Herkunft der Einteilung, aktuelle wissenschaftliche Stand und Gründe für heutige Nutzung dieser Begriffe

1. Anekdotische Bedeutung
Weltweit werden diese beiden Begriffe benutzt, um Cannabis einzuteilen. Jedes Cannabiskultivar, ob in der Apotheke, bei einem Züchter, oder Händler wird entweder als Sativa, Indica oder wenn diese Einteilung nicht möglich ist als Hybrid, also als Mischung der beiden, beschrieben. Zur Vollständigkeit muss auch gesagt werden, dass es noch die "ruderalis"-Sorten gibt, hierbei handelt es sich um Cultivare die ihren Wachstumszyklus nicht über die Dauer des Lichts (Photoperiodismus) sondern über die Anzahl der Lebenstage regulieren, so dass diese selbstständig nach einer gewissen Zeit blühen, zum Beispiel Mitten im Hochsommer, statt am Ende des Hochsommer bzw. im Herbst. Folgend gehe ich nicht weiter auf diesen Typ ein, da dies zu stark von der Sativa-Indica-Kontroverse ablenkt.
Die Sativa/Indica-Einteilung erfolgt anhand zwei Kriterien. Zum einen der vermeintliche regionalen Herkunft dieser Pflanzen und zum anderen die Art der Wirkeffekte. Mit Sativa werden klassisch Kultivare beschrieben, die aus äquatorialen Regionen der Erde abstammen sollen und einen aktivierenden, konzentrationsfördernden, teilweise auch stark psychotropen Effekt haben. Sie wirken also tendenziell wie ein Aufputschmittel, können aber die Wahrnehmung auch stark verändern. Die Wirkung wird oft als Kopf-Wirkung beschrieben. Indica-Typen sollen klassisch aus dem Himalaya, Karakorum und Hindukusch kommen und werden mit einer stark beruhigenden, entspannenden und schmerzreduzierenden Wirkung verbunden, während die Auswirkungen auf die Wahrnehmung tendenziell geringen sind als bei Sativa’s. Die Wirkung wird eher als eine Körper-Wirkung beschrieben, der Körper wird schwer, träge und entspannt, während die Wahrnehmung eher “normal” bleibt. Da die Wirkungen von Cannabisblüten sehr komplex und extrem unterschiedlich sein können, ist eine grobe Einteilung in zwei (bzw. in drei) Hauptkategorien sehr hilfreich und bei Konsumenten wie auch Produzenten willkommen.

2. Herkunft dieser Einteilung
Nun muss erwähnt werden, dass die Einteilung von Cannabispflanzen auf Grund subjektiver Effekte, ohne diese Effekte an definierbare Inhaltsstoffe zu koppeln, recht willkürlich erscheint. Aber die Herkunft der Kultivare dieser Einteilung ist überhaupt nicht willkürlich und theoretisch genau nachvollziehbar.
Wir fangen ganz von vorne an. Das Wort “Cannabis” entwickelte sich wahrscheinlich aus dem Begriff "Kanab", den die Reiternomadenvölker aus den eurasischen Steppen, die Skythen für Cannabis genutzt haben (MacDonald, 2023, S. 6). In der vorchristlichen Zeit wurde auch im hebräischen Alten Testament, sowie auch in der aramäischen Übersetzung das Wort “Kaneh” oder “Kanesh” verwendet (Cathcart, 2016, S. 37). Über einige Zwischenschritte wurde daraus das Griechische Wort κάνναβις (kannabis), woraus sich das Lateinische Wort Cannabis entwickelte.
Karl der Große bezeichnete Cannabis beispielsweise im Jahr 813 als “Canava” (Karl der Große, zwischen 770 - 810).
Aus dem Jahr 1542 haben wir den schriftlichen, ersten Beweis, dass die Pflanze von dem Mediziner Leonhart Fuchs als “Cannabis sativa” bezeichnet wurde (Fuchs, 1542).
Und 1730 wurde Cannabis von dem als Begründer der modernen Pflanzen-Systematik bekannten Carl von Linne als “Cannabis sativa L.” bezeichnet. Da dessen Werk bis heute die Blaupause der modernen Pflanzenbezeichnungen angesehen wird, hat sich dieser Begriff auch gehalten. “Sativa” ist Latein und bedeutet kultiviert/gezüchtet/angebaut - Linne beschrieb nämlich europäische Cannabispflanzen, die vor allem als Faserpflanze auf vielen Feldern in Europa angebaut wurden und 3 bis 5 Meter hoch wurden. Das “L.” ist das Kürzel von Carl Linne und steht hinter vielen Pflanzen, die von Linne dokumentiert wurden (Linee 1753). So bekam Cannabis den auch heute genutzten botanischen Namen und wurde mit spezifischen Eigenschaften beschrieben und definiert.
1785 entdeckte J. B. Lamarck in Indien Pflanzen, die dem europäischen Nutzhanf (Cannabis sativa L.) sehr ähnelten, aber ganz anders genutzt wurden und somit in die Definition von Linee, Lamarck’s Meinung nach, nicht passten (Lamarck 1785). Somit definierte er diese Pflanzen als Cannabis indica. Also als eine in Indien wachsende Cannabisart von kleinerem, buschigeren Wuchs mit großen Blütenständen, die anders, bzw. nicht als Faserpflanze, sondern als Medizin und Genussmittel genutzt wurden.
Damit waren zwei verschiedene Cannabisarten definiert und diese Definition hielt sich weitgehend bis in das 21. Jahrhundert, während sich die Nutzung der Begrifflichkeiten wie oben in Teil 1 ausgeführt etwas änderte. Die Bezeichnungen entwickelten sich dahingehend weiter, dass Sativa für anregend wirkende, groß und ausladende Pflanzen steht und Indica für stark beruhigende und eher klein und kompakt wachsende.

3. Heutige wissenschaftliche Einordnung
Die Begrifflichkeiten bzw. die Cannabisarten wurden erst im 21. Jahrhundert wissenschaftlich genauer untersucht. Bereits 2013 untersuchte Jeffrey Raber in seinem privaten Testlabor circa 1000 verschiedene Cannabissorten und konnte keine Unterschiede in den Inhaltsstoffen von den sogenannten Indica- und Sativa-Blüten feststellen (Romero, 2013).
Rabers Ergebnisse aus seiner Testreihe wurden 2015 in einer wissenschaftlichen Studie von Sawler et al. bestätigt (Sawler 2015). Forscher der University of British Columbia und der Dalhousie University suchten hierbei nach den Ursprüngen verschiedener Nutzhanf-Sorten sowie einiger hoch potenter Cannabis-Sorten. Beim Vergleich der 83 hoch potenten Züchtungen konnten die Forscher keine einheitlichen Muster entdecken, um die Sorten Indica oder Sativa eindeutig zuordnen zu können. Scheinbar war die Sorte „Jamaican Lambs Bread” mit angeblich 100 % “Sativa”-Genen mit einer reinen “Indica” aus Afghanistan genetisch fast identisch. Der Verfasser Jonathan Page zog folgendes Fazit: „Derzeit kann man die Herkunft einer Sorte weder am Namen noch am angegebenen Stammbaum bestimmen. Langfristig brauchen wir ein praktisches, genaues und zuverlässigeres Klassifizierungssystem“.
Dies wurde daraufhin 2017 von einer durch Bedrocan finanzierten Studie durch eine Untersuchung europäischer Cannabis-Sorten bestätigt (Bedrocan 2017).
2017 hat John M. McPartland einen umfassenden Artikel veröffentlicht, der sich mit dieser Thematik intensiv befasst. Er stellte fest, dass die modernen Bedeutungen, die den Begriffe Indica und Sativa zugeordnet sind, sich von der eigentlichen Definition von Linne und Lamarck, die sich unter anderem auf die Herkunft bezog, unterscheiden. Ebenfalls legt er dar, dass der Grund, dass C. Sativa und C. Indica sich heute nicht mehr auseinanderhalten lassen, auf Grund der intensiven Kreuzungen von Cannabispflanzen in den letzten Jahrzehnten. (McPartland, 2017, S.110ff.)
Die aktuellste Untersuchung hierzu stammt von Watts et al., die 2021 zu dem Ergebnis kamen, dass die verschiedenen Sorten (mehr als 100 in der Untersuchung) genetisch und nach Cannabinoidgehältern und Cannbinoidprofilen nicht zu Indica und Sativa zuordenbar sind. Doch anhand bestimmter Hauptterpene ließe sich Indica und Sativa unterscheiden. Myrcene zum Beispiel findet sich eher in Indica-”Sorten” in größeren Konzentrationen. Hierzu, zum Schluss kommendes Zitat aus dieser Studie:
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass die derzeit zur Kennzeichnung von Cannabis verwendete Sativa-Indica-Skala die genomischen und metabolomischen Unterschiede insgesamt nur unzureichend erfasst. Die Kennzeichnung von Cannabis wird stattdessen wahrscheinlich in erster Linie durch eine kleine Anzahl von Hauptterpenen bestimmt, deren Konzentrationen zu den charakteristischen Aromen beitragen, die gemeinhin mit Sativa und Indica in Verbindung gebracht werden [...]. Während die umgangssprachlichen Bezeichnungen “Sativa” und “Indica” von taxonomischen Namen abgeleitet sind, die ursprünglich dazu dienten, Pflanzen nach ihrer Abstammung zu kategorisieren, wurden diese Begriffe von der zeitgenössischen Cannabiskultur übernommen und spiegeln nun wahrscheinlich eine ortsspezifische genetische Variation wider, die die Terpensynthese beeinflusst. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein praktisches und zuverlässiges Klassifizierungssystem für Cannabis, das mit dem heutigen Verständnis der Begriffe „Sativa“ und „Indica“ übereinstimmt, durch die Quantifizierung einer kleinen Anzahl von Terpenen und/oder die Genotypisierung von genetischen Markern, die mit den wichtigsten Cannabisaromen in Verbindung stehen, erreicht werden kann.”
Wir sind wahrscheinlich nun bereits einen Schritt weiter in der Richtung wie es der bekannte Cannabisforscher Ethan Russo bereits 2016 forderte:
“Da sich die Taxonomen nicht einigen können, möchte ich die wissenschaftliche Gemeinschaft, die Presse und die Öffentlichkeit nachdrücklich ermutigen, die Sativa/Indica-Nomenklatur aufzugeben und stattdessen darauf zu bestehen, dass genaue biochemische Tests zu Cannabinoid- und Terpenoidprofilen für Cannabis sowohl für den medizinischen als auch für den Freizeitmarkt verfügbar sind.“

4. Warum werden diese Begriffe noch genutzt?
Die Effekte von Cannabis auf die Psyche sind sehr komplex. Der Rausch oder das High unterscheidet sich von Sorte zu Sorte und manchmal extrem. Es ist bisher noch nicht eindeutig belegt, welche Stoffe für diese unterschiedlichen Wirkungen verantwortlich sind, somit ist eine Klassifizierung anhand der Effekte und Inhaltsstoffe immer noch nicht möglich. Damit Konsumenten und Produzenten sich die Cannabissorten irgendwie anhand ihrer Wirkungen besser einteilen können, hat sich die Klassifizierung in Indica-, Sativa- und Hybrid-Sorten so stark etabliert und wird aktuell auch mit besserem Wissen beibehalten. Eine einfache und korrektere Alternative wäre, die Kultivare nur anhand ihrer konkreten Effekten zu beschreiben, wie zum Beispiel “aktivieren”, “sedierend”, etc. .

Quellenverzeichnis:
Cathcart, J. H. (2016). Knowledge of Good and Evil: An Urban Ethnography of a Smoking Culture. University of California, Riverside. online einsehbar unter: https://escholarship.org/content/qt5k39t42m/qt5k39t42m_noSplash_4ac858b60e53d69200d75c258a1bf549.pdf.
MacDonald, T. (2023). A Weed by Any Other Name: Culture, Context, and the Terminology Shift from Marijuana to Cannabis. The Ohio State University Moritz College of Law. online einsehbar unter: https://deliverypdf.ssrn.com/delivery.php?ID=245087086113074023089093090072068103113043039055000059064099010000067020031030119064102049096037117024113115121115099007009001057081030030036080109005017095005019087017007075110000021098085110091067127025123110103086075093030006015029028076001008008020&EXT=pdf&INDEX=TRUE.
Karl der Große (770 - 810). Capitulare de villis vel curtis imperii (Caroli Magni). Kapitel LXII.
Fuchs, L. (1542). De historia Stirpium Commentarii Insignes. Isingrin, Basel.
Linné, C. (1753). Species plantarum; Bd. 1, Holmiæ. Stockholm.
De Lamarck, J. B. (1783 - 1803). Encyclopédie Méthodique: Botanique. Paris.
Romero, D. (2013). Marijuana strains like OG Kush are meaningless, Expert says. online einsehbar unter: https://www.nature.com/articles/s41477-021-01003-y.
Sawler, J., Stout, J. M., Gardner, K. M., Hudson, D., Vidmar, J., Butler, L., Page, J. E., Myles, S. (2015). The Genetic Structure of Marijuana and Hemp. online einsehbar unter: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0133292.
Bedroncan (2017). No clear evidence of ancestry differences between Sativa- and Indica-labelled cannabis. online einsehbar unter: https://bedrocan.com/no-clear-evidence/. [Originale Veröffentlichung nicht auffindbar]
McPartland, J. M. (2017). In Cannabis sativa L. - Botany and Biotechnology. University of Mississippi, Oxford, USA.
Watts, S., McElroy, M., Migicovsky, Z. (2021). Cannabis labelling is associated with genetic variation in terpene synthase genes. Nat. Plants 7. online einsehbar unter: https://doi.org/10.1038/s41477-021-01003-y.
Piomelli, D., Russo, E. B. (2016). The Cannabis sativa Versus Cannabis indica Debate: An Interview with Ethan Russo, MD. Cannabis Cannabinoid Res. online einsehbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5576603/

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